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ifa-Galerie Berlin

Linienstr. 139 / 140
10115 Berlin
Tel 030 / 22679616, Fax 22679618
fischer@ifa.de
Di - So 14 - 19 Uhr
http://www.ifa.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

Zum Galerierundgang am 18. Mai 2002 bis 21 Uhr geöffnet.

 

22.03. - 26.05.2002


In weiter Ferne, so nah

Neü palästinensische Kunst

Mona Hatoum, Nöl Jabbour, Khalil Rabah, Räda Saadeh

"Die wesentliche palästinensische Erfahrung, die auf einige der grundlegendsten Fragen der palästinensischen Identität hinweist, findet an einer Grenze, einem Flughafen, einem Grenzübergang statt: kurz ausgedrückt, an einer dieser vielen modernen Grenzen, an denen Identitäten überprüft und verifiziert werden. (...) Denn an diesen Grenzen und Absperrungen erfahren die sechs Millionen Palästinenser eine 'Sonderbehandlung' und werden vehement an ihre Identität erinnert: wer sie sind und warum sie anders sind." (Rashid Khalidi )

In diesem Teil der Ausstellungsreihe "FOCUS NAHOST" zeigt die ifa-Galerie Berlin aktülle Positionen palästinensischer Kunst, kuratiert von Jack Persekian, einem der wichtigsten Vermittler palästinensischer Kunst auf internationaler Ebene.

Eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts, der vor mehr als einem Jahr noch "nahe" schien, ist heute "in weite Ferne" gerückt. Angesichts der brisanten politischen Situation sind die Bedingungen, unter denen Kunst vor Ort entstehen kann, sehr schwierig. Dennoch gibt es eine engagierte palästinensische Kunstszene, die in dieser Ausstellung mit vier wichtigen Positionen vertreten ist: Mona Hatoum (geb. 1952 in Beirut, lebt in London) ist die bekannteste palästinensische Künstlerin, deren internationales Renommee zahlreiche Ausstellungen in wichtigen Kunstinstituten der Welt belegen. Ihre grosse Bodeninstallation "Present Tense" zeigt die heute von Palästinensern bewohnten Gebiete auf einer riesigen Landkarte, die sich aus über zweitausend Olivenöl-Seifenblöcken zusammensetzt. Khalil Rabah (geb. 1961 in Jerusalem, lebt in Ramallah), Künstler und Architekt, vertrat Palästina erfolgreich auf den Biennalen in São Paulo und Sydney. Seine spröden Objekte und konzeptüllen Installationen berühren auf überzeugende Weise Fragen der palästinensischen Politik und Geschichte sowie deren Symbole, Probleme und Hoffnungen. Diese Thematik spielt gerade auch in den Arbeiten der jüngeren Künstlergeneration wie in den Fotoreportagen von Nöl Jabbour (geb. 1970 in Nazareth, lebt in Berlin) eine wichtige Rolle: Ihre Arbeit "Martyr Series" zeigt inszenierte Gruppenporträts der Familien palästinensischer Märtyrer, die Serie "Interieurs" wiederum stilllebenartige Details von Innenräumen palästinensischer Wohnungen. Räda Saadeh (geb. 1977 in Um eil Fahem, lebt in Jerusalem) schliesslich setzt sich in ihren spektakulären Performances, Videos und Installationen kritisch mit dem tradierten moslemischen Frauenbild auseinander.

Jenseits tagespolitischer Aktualität setzen sich alle vier Künstler mit den gesellschaftlichen und politischen Problemen auseinander und thematisieren Fragen der Identität, der Religion und des "Landes" als Lebensraum oder politisches Gebiet. Trotz und wegen des hohen Grades an Abstraktion besitzen ihre künstlerischen Arbeiten hohe emotionale Authentizität: Kritik an den bestehenden Verhältnissen, Skepsis, aber auch Hoffnung auf eine ungewisse Zukunft werden hier unmittelbar spürbar.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Beate Eckstein und Jack Persekian, 48 S., zum Preis von 8 EUR.

Führung mit dem Kurator der Ausstellung, Jack Persekian
Freitag, den 22. März 2002, 17 Uhr

Führungen mit Karlheinz Wegmann
Sonntag, den 7. April 2002
Sonntag, den 5. Mai 2002
Jeweils 15 Uhr

Galerierundgang
Samstag, den 18. Mai 2002
bis 21 Uhr geöffnet

Gesprächsrunde
am 23. Mai 2002 in der ifa-Galerie Berlin, Linienstrasse 139/140, 10115 Berlin

Innerhalb der Ausstellungsreihe "Focus Nahost" zeigte die ifa-Galerie
Berlin Anfang dieses Jahres die Ausstellung "Re-thinking - neue Kunst
aus Israel", gefolgt von der nunmehr zu Ende gegangenen Ausstellung
"In weiter Ferne -so nah - junge palästinensische Kunst". Zum
Ausklang dieses vieldiskutierten zweiteiligen Ausstellungsprojektes
veranstaltete die ifa-Galerie Berlin eine Gesprächsrunde mit
geladenen Gästen aus dem Kunstbetrieb, der Wissenschaft und den
Medien, um ueber das Verhältnis der zeitgenössischen Kunst zu
politischen Konflikten der Gegenwart, insbesondere in bezug auf den
Nahost-Konflikt zu diskutieren.

Zur Einleitung des von Alexander Wolf moderierten Gesprächs wurde das
Projekt "Pale-Judea", eine 10-minuetige DVD-Projektion des
italienischen Multimediakuenstlers Costantino Ciervo vorgestellt. Der
in Berlin lebende Kuenstler zeigt in seiner neuen Arbeit ein fiktives,
mit einem professionellen Schauspieler inszeniertes Streitgespräch
zwischen Zwillingen oder Bruedern, einem Israeli und einem
Palästinenser. Die beiden Kontrahenten erscheinen im Profil auf zwei
Fernsehbildschirmen vor schwarzem Hintergrund. Einander
gegenueberstehend, werfen sich die Protagonisten altbekannte Argumente
und Schuldzuweisungen an den Kopf, ohne wirklich miteinander ins
Gespräch zu kommen. "Es ist bemerkenswert, wie ähnlich sich diese
beiden verfeindeten Brueder sind", so Michael Thoss vom Berliner Haus
der Kulturen der Welt, "man merkt in ihrem Streitgespräch, dass die
Fixierung auf ihre eigene Leidensgeschichte ihnen den Weg verbaut,
gemeinsam die Zukunft anzupacken".

Neben der Frage nach möglichen Schritten in Richtung einer
friedlichen Lösung des Nahost-Konfliktes war ein zentrales Thema des
Abends die Frage, ob und wie Kuenstler auf aktuelle politische
Ereignisse oder Katastrophen reagieren, ob sie sie kuenstlerisch
umsetzen sollten. Ereignisse wie das terroristische Attentat vom 11.
September hätten gezeigt, so Frau Barsch, Leiterin der ifa-Galerie
Berlin, dass unmittelbare Reaktionen oft zu unreflektiert ausfallen
und schnell den Vorwurf laut werden lassen, die Kuenstler wollten den
momentanen Aufmerksamkeitsboom nutzen und vom Schrecken profitieren.
Costantino Ciervo sieht seine Arbeit im Gegensatz zu solchen
kuenstlerischen "Schnellschuessen". Seit Beginn des Jahres 2001 hat er
sich mit den Ursachen und Wurzeln des Nahost-Konfliktes beschaeftigt
und gewissermassen als Essenz seiner Forschungen und UEberlegungen den
Dialogtext fuer das Streitgespraech des Filmes "Pale-Judea"
geschrieben. Ihm geht es nicht um eine einseitige Parteinahme in der
Auseinandersetzung. Der Kuenstler möchte "der allgemein
vorherrschenden Gleichgueltigkeit und Verdraengung etwas
entgegensetzen und dort intervenieren, wo Gerechtigkeit verlangt
wird". Seiner Meinung nach muessen die Existenzrechte der Israelis
genauso beruecksichtigt werden wie die Rechte der Palaestinenser, die
seit 1948 eine "erniedrigende Besatzung" ertragen. Interessanterweise
kann man den Dialog der streitenden Brueder tatsächlich auf völlig
entgegengesetzte Weise interpretieren. So befand die israelische
Kuenstlerin Heidi Stern, dass der inszenierte Bruderstreit auf sie
eher pro-palästinensisch wirke. Hingegen fühlte sich der Architekt
Joussef Hijazi persönlich, ja existenziell angegriffen, besonders
durch den letzten Satz im Film: "Wir lassen uns nie wieder
vertreiben". Fuer Hijazi, einen palaestinensischen Fluechtling, der in
Beirut aufgewachsen und nunmehr in Berlin ansaessig ist, stellte
dieser vom Israeli gesprochene Schlusssatz eine "klar formulierte
pro-israelische Aussage" dar. So verstörend eine solche Ambivalenz
auch wirken mag, fuer den Gespraechsabend war sie ein fruchtbarer
Moment und Anlass, sich mitten in Europa mit einem Thema zu befassen,
das trotz der grossen geographischen Entfernung plötzlich ganz nah
erschien.

 

 

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