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Kunstverein HannoverSophienstraße 2
30159 Hannover
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Di - So 11 - 17 Uhr, Mi 11 - 21 Uhr
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aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibitionDas starke Interesse an der Ausstellung und der Umbau des Künstlerhauses haben uns veranlaßt, die Öffnungszeiten dienstags-freitags auf 21 Uhr zu erweitern. Am Wochenende ist der Kunstverein von 11 - 17 Uhr geöffnet. Aus technischen Gründen ist die Ausstellung am 16./17.2. ganztägig geschlossen.
27.05. - 31.10.2000
Gerhard Merz
Nach vierjähriger Vorbereitungszeit zeigt der Kunstverein Hannover zum Jahr 2000 ein umfassendes Werk von Gerhard Merz. Zehn Jahre noch seiner fundamentalen Ausstellung DEN MENSCHEN DER ZUKUNFT 1990 im Kunstverein bündelt Gerhard Merz sein bisheriges Schaffen in drei neuen, ortsspezifischen Werkblöcken, die temporär an zwei Orten gezeigt werden: im Kunstverein und im stillgelegten Hauptgüterbahnhof. Der Kunstverein mit seiner musealen Architektur bildet den Schauplatz für FRAGMENTE und PASSAGE. Der Hauptgüterbahnhof bietet die Plattform für den 3,58 x 42,59 x 18,31 Meter großen PAVILLON aus Metall, Glas und Licht. Er steht am Kopfende der 40.000 Quadratmeter großen Güterhalle. Die drei Werkblöcke bilden ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Malerei und Skulptur, in dem Maß, Farbe und Licht die bestimmenden künstlerischen Koordinoten sind. Gerhard Merz bündelt damit sein gesamtes künstlerisches Denken in einem großen Entwurf und thematisiert gleichzeitig zentrale Ideen der Kunst der Moderne. Zu nennen sind: die Radikalisierung der Ästhetik, der Autonomiegedanke der Kunst, die Auffassung von einer Kunst als Denk- und nicht als Sehfigur, die Schlüsselrolle der Architektur für die Kunst als Einheit zusammen mit Skulptur und Malerei, die Verfeinerung des Erworbenen anstelle bloßer Neuerfindung, die Bedeutung des Readymades als Handlungsidee anstelle bloßer Objektfixierung, das Verständnis von Kunst als Anordnungsnotwendigkeit, als Ergebnis der geringsten Abweichung von der Norm. Kunst, avanciert, unsentimental, unideologisch, als Ort der Idee und der Existenz.
FRAGMENTE umfassen sieben der acht Ausstellungsräume im Kunstverein. Es sind Werkstücke, Materialien und Arbeitsgeräte, in Form und Material finalisierte und komprimierte Denkfiguren des Künstlers. Ocker in Raum 1 ist eine große Monochromie, neu gefertigt nach einem Entwurf aus dem Jahr 1972; die Vitrine in Raum 1 a ist autonome Skulptur und dient gleichzeitig der Aufbewahrung wichtiger Werkstücke. Dazu zählen Reißschiene, Meterstab, Rollenbild und Kiste. Glas in Raum 2 ist eine speziell für diesen Raum entworfene monumentale Glasschiebearbeit; Edelstahl + Marmor in Raum 3 ist ein vier Meter langer polierter Edelstahlstab auf einem Marmorblock mit den Maßen 90 x 420 x 30 cm; in Raum 5 steht die Gipsskulptur Venedig, eine maßstäbliche Form des Raumvolumens des Mittelsaales im deutschen Biennale- Pavillon von 1997. In Raum 6 steht die zweite Vitrine mit Mennige, einer Monochromie aus dem Jahr 1998. Endpunkt oder Auftakt der Raumfolge bildet Raum 7 mit Schritt (KOPERNIKUS HAT DIE PROBLEME DADURCH GELÖST, DASS ER NICHT ZUM HIMMEL HINGESEHEN HAT). Er ist der einzige Raum mit dem Blick nach draussen. Alle Arbeiten stammen aus den Jahren 1972-2000. Der gesamte Werkkomplex bildet zusammen mit den Räumen eine unauflösbare Einheit.
PASSAGE in Raum 4, dem langen Oberlichtsaal des Kunstvereins, bildet den Mittelpunkt der Ausstellung. Der Betrachter bewegt sich zwischen den beiden Längswänden mit ihrem hochglänzend betongrau gestrichenen, 2,20 Meter hohen großen Sockel und den zwei über 30 Meter langen Lichtbändern aus insgesamt 1500 Leuchtstofflampen der Lichtfarbe Lumilux 11 (Tageslicht). Der schon in der Architektur als "Passage" zwischen den beiden Flügeln angelegte Raum bildet die ideale Voraussetzung für den gleißend kalt erleuchteten Durchgang. Man kann die Passage durchschreiten, aber wegen der Transparenz und Leere des Raumes auch mit einem Blick umfassen. Sie ist derart nicht nur eine Durchgangsarchitektur von einem Saal der Ausstellung in den nächsten, sondern zugleich ein dreidimensionales "Bild". So wird die Konstruktion der Passage zu einer Metapher, zur anschaulichen Form einer Idee: der Idee der verweigerten Schaulust. (Herbert Molderings: Gerhard Merz. Ein Künstler des Agnostizismus. Buch zur Ausstellung, Kunstverein Hannover 2000, S. 27f. Siehe Publikationen zur Ausstellung.)
PAVILLON im Hauptgüterbahnhof ist das zentrole Werkstück des gesamten Projektes. Er ist ein 42,59 Meter langer, 18,31 Meter breiter und 3,58 Meter hoher Bau aus Metoll, Glas und Licht. Das Innere der Architektur bildet ein zentrisch gestellter Körper aus weißem, transluzentem Glos von ca. 30 Metern Länge und 6 Metern Breite. Das Maßsystem des Pavillons beruht auf der technischen Logik des Materials. Die 321 x 600 cm großen Glasplatten sind die größten lieferbaren Standordformate der Glasindustrie. Ihr Maß bildet gleichsam dos Modul des Baukörpers. Je sieben Plotten aus durchsichtigem, optiweißem Glas bilden die Längsseiten des Baukörpers. Die Stirnseiten bleiben offen, so dass der Betrachter den Pqvillon über zwei korridorähnliche Gänge passieren kann.
Das Licht von tausenden von Leuchtstoffröhren der Lichtfarbe Lumilux-11 (Tageslicht) erleuchten den Pavillon und die Südfassade des Güterbahnhofs: dazu gehören zwei Lichtbänder in den Durchgungen mit jeweils 882 Leuchtstoffröhren und zwei Lichtbänder von 84 Metern Länge über dem Pavillon mit jeweils 1521 Leuchten. Ihr Licht taucht die gesamte Architektur des Pavillons und die Kopffläche des Güterbahnhofs Tag und Nacht in gleißende Helligkeit und strahlt durch die geöffneten Rolltore und die Glosdächer der Scheds nach draußen. Mit den Leuchten im Innenkubus und dem an der Fassade des Bahnhofs angebrachten Leuchtenband beläuft sich die Anzahl der Leuchstoffröhren auf Z319. Sie lassen das Bauwerk wie ein Kristall erstrahlen. Gerhard Merz bezieht sich mit seiner Architektur auf den legendären Barseiona-Pavillon von Mies van der Rohe, der anlässlich der Weltausstellung im Jahr 1929 von der damaligen deutschen Regierung in Auftrag gegeben worden wur. So wie der Barcelona-Pavillon zu einem Schlüsselwerk der Moderne wurde, in dem sich ihre radikale Rationalität ausdrückte, ist der Pavillon von Gerhard Merz als Sinnbild für das Vermuchtnis und die Fortführung der Moderne zu verstehen. Durch die Einfachheit und Klorheit der eingesetzten Mittel, die Reinheit des Materials, gepaart mit dem Puren und der Leere der Form reduziert Gerhard Merz Architektur zu einer suprematistischen, elementaristischen Konstruktion. Sie wird zum zeitgenössischen Manifest einer nutzenfreien, idealen Kunstform.
Der Pavillon steht in der Güterhalle auf der Kopffläche quer zu den Schienensträngen, die aus der Welt in das Gebäude hineinführen. Der Betrachter schaut durch die transparenten Glaswände auf die wegführenden Schienenstränge und Plattformen. Am bahnseitigen Ende sieht er die riesige rechteckige Öffnung der Güterhalle, die den Blick freigibt auf die vorbeifahrenden Züge. Schaut man aus den überhellen Korridoren nach draußen, in die Richtung, aus der man gekommen ist, stadteinwärts, fällt der Blick durch die Ausschnitte der geöffneten Rolltore auf die urbane Realität mit ihren ständig wechselnden Erscheinungen. An der Längsseite des Güterbahnhofs sieht man die Personenzüge vorüberrasen, die die Besucher der Weltausstellung in die Stadt bringen. Auch in diesem Punkt führt Merz einen architektonischen Gedanken Mies van der Rohes weiter, der bei seinen Entwürfen von Villen und Pavillons stets die Verbindung von Innenraum und Landschaftspanorama präzise einkalkulierte, so dass die großen Glasflächen den Bewohnern die Außenwelt wie in umrahmten, transparenten "Bildern" vor Augen führten. Durch diesen Kontrast wird das Kunstwerk, der ideale monumentale Glasraum im Güterbahnhof als das ruhende Zentrum, das Bleibende und Zeitlose inmitten der Dynamik und Geschwindigkeit der urbanen Realität erfahren. Anders als der Techniker will der Künstler der Zeit entgegenwirken. Das war eine der zentralen Botschaften der "weißen Gegenstandslosigkeit" des Suprematismus. (H. Molderings, a.a.O.). Der Pavillon wird zur Setzung an einem historischen Ort, einem Ort der Melancholie, der Trauer und des Abschieds, genauso wie der Ankunft, der Klarheit und der Vernunft, des Versprechens, der Hoffnung und der Utopie.
Gerhard Merz, geboren 1947, hat an der Münchner Akademie Malerei studiert. Er lebt heute in Pescia und Berlin und lehrt an der Düsseldorfer Akademie. Seit Mitte der siebziger Jahre hat er in seiner Kunst ein Konzept der Malerei entwickelt, das stark durch architekturbezogenes Denken bestimmt ist. Von der Idee ausgehend, dass die Moderne nur mit den Mitteln der Architektur fortgeführt werden kann, untersucht Merz seit Jahren systematisch die Tragfähigkeit bestimmter architektonischer Ausdrucksformen, besonders die von Mies van der Rohe. Neben dem Bezug zu der Bemühungen der Moderne sind seine Bezugspunkte die konzeptuellen Auffassungen und Erfahrungen der Kunsttheorie der siebziger und achtzi ger Jahre. Dabei nimmt Merz einen Stundpunkt ein, der von der Kunst als einem autonomen geistigen Bereich ausgeht. Sowohl hohe Komplexitä der reflektierten Bezüge - zu nennen sind Marcel Duchamp, Kasimir Malewitsch, Barnett Newmon, Ad Reinhardt - als auch größtmögliche formale Klarheit werden in jedem seiner Werke angestrebt. Das Singuläre seiner Position und die hohe ästhetische Qualität seiner Werke machen ihn zu einenr der renommiertesten und einflussreichsten deutschen Künstler der Gegenwart.
Als wichtige Projekte der letzten Jahre sind zu nennen: 1997 VENEZIA, Deutscher Pavillon, Biennale Venedig, im selben Jahr das Projekt BOZEN BOLZANO, GlL-Gebäude, Bozen; 1998 Einzelausstellung im Helmhaus Zürich, 1999 Saal im Alten Museum im Rahmen der Ausstellung Das XX Jahrhundert. Ein Jahrhundert Kunst in Deutschland in Berlin und die künstlerische Gestaltung des gerade fertiggestellten Auswärtigen Amtes in Berlin. Mit dem Projekt in Hannover bündelt Gerhard Merz sein künstlerisches Schaffen der letzten 25 Jahre in einer großen Werksynthese.
Wichtige Einzel- (E, K=Katalog) und Gruppenausstellungen:
1976 Seerosen, Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf (E), 1977 documenta 6, Kassel, 19801 love my time, Ink Halle für internationale Kunst, Zürich (E) 1981 Westkunst, Köln, 1982 documenta 7, Kassel, 1983 Ohne Titel, Foodmarket Gallery, Edinburgh (E), 1984 Van hier aus, Messehallen, Düsseldorf 1985 Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, Nationalgalerie Berlin, Aus den Alpen, Barbara Gladstone Gallery, New York (E), 1986 Elfenbein schwarz, Galerie nächst St. Stephan, Wien (E), Dove Sta Memoria, Kunstverein München (E, K), Chambre d'amis, Museum van Hedendaagse Kunst Gent, 1987 documenta 8, Kassel, Salve MCMLXXXVII, Kunsthalle Baden-Baden (E, K), 1988 Eupalinos, Musée de Peinture et de Sculpture, Grenoble (E, K), 1989 Costruire, Kunsthalle Zürich (E, K), Archipittura, AR/GE Kunst, Museum-Galerie, Bozen (E, K), Obiect/Site/Sensation, Museum of Con temporary Art, Chicago, Einleuchten, Deichtorhallen, Hamburg, 1990 De Ordine Geometrico, Stichting de Appel, Amsterdam (E, K), Den Menscher der Zukunft, Kunstverein Hannover (E, K), 1991 Für Ludwig Mies van der Rohe, Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf (E), Metropolis. Internationale Kunstausstellung Berlin 1991, Martin-Gropius-Bau, Berlin, 1992 Studiolo, Kunsthalle Hamburg (E, K), Archipittura 1992, Deichtorhallen Hamburg (E, K), Archipittura, Los Angeles County Museum of Art (E), documenta 9, Kassel, 1993 Galleria Giorgio Persano, Turin (E, K), 1994 Berlin Travertin Romanc Classico, Galerie Max Hetzler, Berlin (E), Lustgarten, Architektur vor dem alten Museum von Schinkel, Berlin (Entwurf), 1995 Gerhard Merz Berlin, Kunst-Werke Berlin (E, K), Palast der Künste, Kölnischer Kunstverein, 1996 Berlin MCMXCVI, Lichtinstallation für den Potsdamer Platz, Berlin, Licht, Kunsthalle Basel (E, K), 1997 Venedig Venezia, Biennale Venedig 1997, Deutscher Pavillon, Venedig (E, K), Bozen Bokano, GlL-Geboude, Bozen (E, K), 1998 Gerhard Merz, Helmhaus Zürich (E, K), 1999 Das XX. Jahrhundert. En Jahrhundert Kunst in Deutschland, Altes Museum, Berlin.
English Summary
Ten years after his fundamental exhibition DEN MENSCHEN DER ZUKUNFT (For The People Of The Future) in 1990, the Kunstverein Hannover has asked Gerhard Merz to realize an extensive work for the year 2000. The new work of Gerhard Merz is a large work synthesis which will offer itself to view in the spaces of the Kunstverein and in the more than 40,000 square meters of the closed-down freight yard in Hanover. The project consists of three blocks of works. With its museum architecture the Kunstverein establishes the scenic context for FRAGMENTE / Fragments and PASSAGE / Passage. The freight yard provides the platform for a large PAVILLON / Pavilion consisting of glass, aluminum and light. It will stand at the head of the station and will shine like a crystal with almost 8,000 neon lights.
FRAGMENTE are pieces of works, materials and tools, such as, for example, a construction of glass panels, a stainless steel sculpture or a T-square, which function as models for the thinking of the artist. They are mental figurations that have been finalized and compressed into form and material. All the works come from the years 1972-2000 and create an indissoluble unity together with the architecture. PASSAGE in the long hall represents the central point of the exhibition in the Kunstverein. It consists of a base that is 2.2 meters high and painted in a glossy concrete gray, together with two 30 meter long bands af light with a total of 1500 luminous tubes that are each 60 cm long. With its harsh and cold light, the Passage is a link to the pavilion in the freight yard.
PAVILLON in the freight yard is the central piece af work of the project. It is a building out of metal, glass and light that is ca.42 meters long,18 meters wide and 3.4 meters high. Together with a band of light at the facade of the train station, almost 8,000 neon lights illuminute the building. The measurement system of the pavilion is derived from the technicol logic of the material. The 321 x 600 cm glass sheets which are used here are the largest standard format which the glass industry can deliver. Their measurements form what is essentially the module of the building, seven sheets form the long side, three sheet units the breadth of the building. The viewer can enter the pavilion. With PAVILLON Gerhard Merz makes reference to the legendary Barcelona Pavilion of Mies van der Rohe, which was commissioned by the German government of the time on the occasion of the World Exhibition in 1929. Just as the Barcelona Pavilion became a key work of Modernism by expressing its radical rationality, so does the Pavilion of Gerhard Merz promise to become a symbol for the heritage and continuation of Modernism. Through the simplicity and clarity of the means he employs and through the purity of the material, coupled with the abstract and empty form, Gerhard Merz reduces architecture to a supreme and elementary construction. It becomes the contemporary manifesto of an ideal art form that is free of utilization. The project is a total work of art consisting of architecture, painting and sculpture in which measurement, color and light are the defining artistic coordinates. The work establishes relations with the technical exactness and logic of our century, based on the industrial norms for material and production. It encompasses the core works in the oeuvre of Gerhard Merz and is simultaneously a generally valid manifesto of modern art.
Gerhard Merz, born in Munich in 1947, belongs to the most well-known German contemporary artists. He lives in Pescia, Italy, and Berlin and teaches at the Düsseldorfer Akademie. He has partisipated repeatedly in the documenta and represented Germany at the 1997 Biennale in Venice.