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Haus der Kunst

Prinzregentenstraße 1
80538 München
Tel. 089 - 21 1270, Fax 211 27 - 157
Öffnungszeiten: täglich 10 bis 20 Uhr
mail@hausderkunst.de
www.hausderkunst.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

30.04. - 25.07, 2010

Weniger ist mehr

Bilder, Objekte, Konzepte aus Sammlung und Archiv von Herman und Nicole Daled 1966-1978

 

"Je déteste le décor" - dieser Ausspruch von Herman Daled verdeutlicht seine Weigerung, Kunst an die Wand zu hängen und dadurch als Dekoration zu missbrauchen.
Ab 1966 haben der Brüsseler Arzt Herman Daled (geb. 1930) und seine damalige Frau Nicole Verstraeten (geb. 1931; Juristin) eine Sammlung konzeptueller Kunst aufgebaut. Über den bloßen Ankauf hinaus ermöglicht das Paar den Künstlern, ihre Arbeit auch jenseits der gängigen Mechanismen des Marktes zu realisieren. Herman und Nicole Daled unterstützen Projekte, verlegen Publikationen oder zahlen den Künstlern ein Gehalt. Zu ihren Grundsätzen gehört:
- niemals Werke von Künstlern kaufen, die bereits verstorben sind
- niemals Werke auf dem sekundären Markt kaufen
- niemals Werke wieder verkaufen.
Die Anhäufung von Kunstwerken allein war nie das Ziel von Herman und Nicole Daled. Die Kunstwerke können als Überreste der aktiven Teilnahme des Paares an der regionalen und internationalen Kunstszene in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren verstanden werden.

Die Ausstellung konzentriert sich ausschließlich auf die von 1966 bis 1978 angekauften Arbeiten. Sie wird nicht nur die Werke präsentieren, sondern darüber hinaus die Genese der Sammlung anhand von akribisch gesammelten und archivierten Dokumenten beschreiben, die Aktionen oder temporär ausgeführte Arbeiten belegen.
Angeregt durch seinen damaligen Chef Dr. Albert Claude, ein Zellforscher und Medizinnobelpreisträger für den Herman Daled sechs Jahre gearbeitet hat, beginnt das Paar seinen Blick auf die zeitgenössische Kunst zu richten. Die Daleds entdecken Marcel Broodthaers Arbeit für sich und sind von seiner Persönlichkeit tief beeindruckt. Die Begegnung mit ihm führt zum ersten, für die weitere Entwicklung der Sammlung ausschlaggebenden Ankauf von dessen "Robe de Maria" (1966). Ihre wachsende Freundschaft öffnet ihnen den Zugang zum inneren Zirkel der Kunstszene dieser Epoche.

Broodthaers wird zur Schlüsselfigur und zum wichtigsten Künstler der Sammlung; von ihm sind allein an die 80 Werke in der Sammlung. Sein Werk gilt seit den 70er-Jahren in vieler Hinsicht als wegweisend: Er setzt Maßstäbe für eine Kunst, die ihre sozialen Bezüge mit einschließt und den Anspruch "souveräner Eigenständigkeit" von Kunst nicht aufgibt, sondern immer wieder neu erfindet.

Der Aufbau der Sammlung verläuft konzentrisch und wird durch die persönlichen Begegnungen und den Diskurs mit den Künstlern beeinflusst. Herman Daled vergleicht diese Vorgehensweise mit einem Jazzliebhaber, der sich nach und nach Schallplatten kauft. Das Jahr 1969 bringt wichtige Ausstellungen zur konzeptuellen Kunst, die zu Eckdaten für diese Bewegung werden und von den Daleds intensiv verfolgt werden. Dazu gehören "Op losse schroeven: situaties en cryptostructuren" im Stedelijk Museum, Amsterdam (März/April 1969), "When Attitudes Become Form. Works - Concepts - Processes - Situations - Information: Live in Your Head", Kunsthalle Bern u.a. (März/April 1969), und "Konzeption - Conception: Dokumentation einer heutigen Kunstrichtung", Städtisches Museum, Leverkusen (Oktober/November 1969). Die 1972 von Harald Szeemann kuratierte Documenta V führt schließlich mit einer eigenen Abteilung zur "Weihe" (Herman Daled) der Konzeptkunst.
Zeitgleich beobachten und besuchen die Daleds viele europäische und amerikanische Galerien, wie Konrad Fischer, Düsseldorf; Michael Werner, Köln; Art & Project, Amsterdam; Jack Wendler, London oder Leo Castelli, New York.

Herman Daled hebt hervor, dass sie zu dieser Zeit einer Bewegung gegenüberstanden, die noch nichts von ihrer späteren Bedeutung erkennen ließ. Es war die Phase, in der die Künstler ihre ersten kreativen Schritte taten.
Als Sammler stehen Herman und Nicole Daled in ihrer Radikalität den zeitgleich arbeitenden Künstlern in nichts nach. Ihre Haltung in Bezug auf die Auseinandersetzung mit einer der wichtigsten Strömungen der jüngeren Kunstgeschichte ist kompromisslos und neugierig, offen und großzügig. Marcel Broodthaers, der von vielen Künstlern während ihrer Europatourneen besucht wird, beschrieb die Atmosphäre im Hause Daled: "On peut y boire, manger, fumer et en plus ils achètent!"

Die Zusammenarbeit zwischen den Daleds und den Künstlern schließt Vereinbarungen ein, die den Erwerb von Werken durch den Sammler als eigenes Projekt unter bestimmte Bedingungen stellt. So kaufen sie Niele Toroni 1969 eine Arbeit ab und erwerben dieselbe Arbeit im Januar 1971 nochmals zu einem Preis, der den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst ist. 1970 schließen sie mit Daniel Buren einen Vertrag ab. Unter der Bedingung, ein Jahr lang keine anderen Werke zu kaufen, erhalten die Daleds zwölf Monate lang je ein Gemälde - einzige Ausnahme sind Ankäufe von Marcel Broodthaers. Das Projekt wird im Art & Project Bulletin 45 unter dem Titel "a private collector" veröffentlicht. Im gleichen Jahr besucht Herman Daled Lawrence Weiners Ausstellung in der Berliner Galerie Folker Skulima und erwirbt alle drei ausgestellten Arbeiten. Aufgrund des Buren-Vertrags wird der Ankauf jedoch erst im Folgejahr abgeschlossen. Im Sommer 1971 lässt Daled mit Hilfe des Juristen Michel Claura eine französische Fachübersetzung von Seth Siegelaubs "Artist's Reserved Rights Transfer and Sale Agreement" anfertigen. Der kurz zuvor auf Englisch erschienene Vertrag sichert dem Künstler Rechte auch an bereits verkauften Werken zu. 1972 erwerben Herman und Nicole Daled ein Werk von Ian Wilson, das aus dem Gespräch besteht, das der Künstler mit Herman Daled und Fernand Spillemaeckers am 10. September geführt hat.

Zu den vielen Aktivitäten der Daleds zählt unter anderem die Mitfinanzierung des 1969 in Antwerpen gegründeten alternativen Ausstellungsraums A 379089. Unter der Leitung von Kasper König finden dort Ausstellungen und Performances verschiedener Künstler wie James Lee Byars, Daniel Buren, Jörg Immendorff, Ben Vautier und La Monte Young statt.
Im Februar 1970 organisieren sie den "T.V. Ball" von James Lee Byars im Showroom des Garden Store Louise, rue de Joncker 44, in Brüssel. Dabei wird "The Pink Silk Airplane" (auch bekannt unter den Namen "Robe pour cent personnes" bzw. "A Pink Silk Airplane for 100", 1969) gezeigt, ein kollektives rosafarbenes Seidengewand für 100 Personen, die wie im Flugzeug in Zweierreihen nebeneinander am Boden sitzen. Im Laufe des Abends wird es unter Anweisung von James Lee Byars in Einzelstücke für je zwei bis drei Personen zerschnitten.
1971 organisiert Nicole Daled den ersten Auftritt von Gilbert & George als "Living Sculptures" in Brüssel, bei dem sie erstmals ihre spätere Galeristin Ileana Sonnabend treffen.
In der Geschäftspassage Galerie le Bailli, in der zu dieser Zeit mehrere Brüsseler Kunsthändler mit ihren Galerien angesiedelt sind, mieten die Daleds eine Vitrine sowie die darüber liegende Stirnwand an. Ab März 1973 zeigen sie dort ein Werk von Daniel Buren. Die gestreiften Papierbahnen werden bis 1975 bei jeder Vernissage in einer neuen Farbe tapeziert.
1978 erwerben Herman und Nicole Daled eine Serie von 70 Arbeiten von Niele Toroni aus der Ausstellung "Abdrücke eines Pinsels Nr. 50, wiederholt in regelmäßigen Abständen (30 cm)", Kunsthalle Bern (April/Mai 1978). Dieser Ankauf markiert das Ende der intensiven Sammeltätigkeit. Die Daleds haben bis dahin Arbeiten aller ihnen wichtigen Künstler erworben. Hinzu kommen einschneidende private Veränderungen. Herman Daled übernimmt 1973 mit der Leitung der Radiologie einer Brüsseler Privatklinik auch die finanzielle Verantwortung für die Abteilung. 1977 trennen sich Herman und Nicole Daled. Herman Daled bezieht das 1930 von Henri van de Velde gebaute Hôtel Wolfers, wo er in den 80er-Jahren Ausstellungen von Robert Mapplethorpe, Niele Toroni und Dan Graham organisiert.
Herman und Nicole Daled kaufen unabhängig voneinander bis heute vereinzelt Arbeiten junger Künstler; dies lässt sich jedoch nicht mit ihrem Engagement für die Kunstszene in den Jahren von 1966 bis 1978 vergleichen. Auch hält die Unterstützung von Projekten und Institutionen an, zum Beispiel geht die Gründung von Wiels Centre d'art contemporain, heute die größte Institution für zeitgenössische Kunst in Brüssel, auf eine Initiative von Herman Daled zurück.

Die Sammlung enthält u.v.a. Werkgruppen von Daniel Buren, Marcel Broodthaers, Hanne Darboven, Jan Dibbets, Robert Filliou, Dan Graham, Douglas Huebler, On Kawara, Sol LeWitt, Niele Toroni und Lawrence Weiner. Obwohl viele monografische und thematische Ausstellungen von Herman und Nicole Daled mit ihren Leihgaben unterstützt wurden, haben sie die Sammlung als solche bisher nie gezeigt. Die einzige umfassende Veröffentlichung erfolgte 2004 im Rahmen der Ausstellung "l'intime, le collectionneur derrière la porte" im Pariser Maison Rouge in Form einer handgeschriebenen Werkliste, die auf einem Sockel präsentiert wurde.

Die Ausstellung wird von Ulrich Wilmes und Patrizia Dander kuratiert.

Der Katalog erscheint bei Walther König, gestaltet von Walter Nikkels, mit Texten von Birgit Pelzer und Benjamin H. D. Buchloh, ISBN 978-3-86560-763-8.

Künstlervortrag von Daniel Buren am Dienstag, den 11. Mai um 20 Uhr (in englischer Sprache)

 

 

 

Sammlung Goetz im Haus der Kunst
Einladung zum Pressegespräch am Montag, den 5. Juli 2010, 14 Uhr

Podiumsbesetzung
Dr. Wolfgang Heubisch, Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Ingvild Goetz, Kunstsammlerin
Sabine Brantl, Historikerin mit Schwerpunkt bayerische Geschichte
Chris Dercon, Direktor Haus der Kunst und
Marco von Matuschka, kaufmännischer Leiter Haus der Kunst

1993 legte Ingvild Goetz mit dem Ankauf von Cheryl Donegan, "Untitled (Head)" (1993) den Grundstein für ihre Sammlung von künstlerischen Videos und Filmen. Heute ist diese Sammlung europaweit die bedeutendste ihrer Art. Mit inzwischen 480 Werken von ca. 170 Künstlern bietet sie einen repräsentativen Querschnitt durch das zeitgenössische Kunstschaffen in den Bereichen Film und Video. Zu den Künstlern, die dort vertreten sind, gehören u. a. Doug Aitken, Chantal Akerman, Matthew Barney, Janet Cardiff / George Bures Miller, Nathalie Djurberg, Stan Douglas, Harun Farocki, Omer Fast, Dominique Gonzalez-Foerster, Douglas Gordon, Rodney Graham, Teresa Hubbard / Alexander Birchler, Mike Kelley, William Kentridge, Sharon Lockhart, Steve McQueen, Ulrike Ottinger, Paul Pfeiffer, Pipilotti Rist, Anri Sala, Fiona Tan, Gillian Wearing und Yang Fudong.

Ingvild Goetz hat diese Sammlung längst auch für das Publikum geöffnet - durch wechselnde Ausstellungen in ihrem eigenen Museum und durch wiederholte Kooperationen z.B. mit dem ZKM in Karlsruhe. Ab Februar 2011 bis mindestens 2014 zeigt die Sammlung Goetz nun einen Teil ihrer Filme und Videos im Haus der Kunst. Die Inhalte dieser Dauerausstellung werden zwei- bis dreimal im Jahr wechseln. Durch diese Dauerausstellung wird die Sammlung Goetz der Öffentlichkeit in noch größerem Umfang zugänglich.

Die Teams von Haus der Kunst und Sammlung Goetz freuen sich, mit dieser Vereinbarung auch ein neues Modell der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Institution und Privatsammlung vorzustellen:
· Räume und Infrastruktur für die Dauerausstellung sind vorhanden; der Staat hat keine Baukosten, das Haus der Kunst trägt die Kosten für Instandhaltung der Räume
· Die Sammlung Goetz stellt Werke der Medienkunst zur Verfügung und beteiligt sich mit einem Fixbetrag an allen laufenden Kosten
· Die durch Eintrittsgelder erzielten Einnahmen fließen an das Haus der Kunst
· Dem Staat entstehen keine zusätzlichen Kosten für Lagerung, Konservation, Restauration, Transport, Versicherung und Handhabung von Leihgaben
· Das medienorientierte Jugendprogramm im Haus der Kunst wird an die Dauerausstellung gekoppelt

Das Haus der Kunst stellt für die Dauerausstellung 14 kabinettartige Räume im Luftschutzkeller des Hauses zur Verfügung. Die Errichtung dieses Luftschutzkellers wurde vom Architekten Paul Ludwig Troost schon mit dem Bau des Hauses der Deutschen Kunst 1933/37 projektiert - eine der ersten staatlichen Maßnahmen, mit denen Hitler unmittelbar nach seiner Machtergreifung die Bevölkerung auf einen kommenden Krieg vorbereiten wollte. Der Luftschutzkeller hat eine Fläche von 292 qm, seine Raumfolge ist symmetrisch. Ein eigener Eingang führt direkt vom Parkplatz / Englischen Garten dorthin.

 

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