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Brandenburgische Kunstsammlungen Cottbus

seit 2009: Dieselkraftwerk Cottbus
über die Brandenburgischen Kunstsammlungen
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27.02. - 30.04.2000


Martin Parr

Benidorm


Der Brite Martin Parr gehört zu den wenigen Fotografen, die über eine unverkennbare Handschrift verfügen. Nach dem Studium der Fotografie am Manchester Polytechnic entwickelte er bereits in den 70er Jahren einen eigenen Stil der realistischen Abbildung zeittypischer, regionaler oder gesellschaftlicher Spezifika, die er in Serien von Schwarzweißfotografien publiziert. Zuerst der Darstellung ländlichen Alltags und seiner Rituale verpflichtet, folgt 1984 mit "A Fair Day" die erste Arbeit, in der er sich mit dem Freizeitverhalten verschiedener britischer Gesellschaftsschichten beschäftigt. Mit der 1986 publizierten Serie "The Last Resort" beginnt Parr, die Farbfotografie im Sinne einer visuellen Geschichtsschreibung zu nutzen. Thema ist die touristische Nutzung des Seebades New Brighton. Die extreme Farbigkeit seiner Arbeiten zitiert den Einsatz der Farbfotografie in der Werbung - erreicht durch die Kombination einer Mittelformatkamera, die eine detaillierte Abbildung garantiert, mit Farbfilmmaterial und eines auch bei Tag benutzten Blitzlichtes. In der Folge entstehen satirisch aufgeladene und provokative Aufnahmen, die in einer Mischung gnadenloser Darstellung menschlicher oder gesellschaftlicher Schwächen und mitfühlender Anteilnahme das typische Leben in einem britischen Seebad schildern. Weitere Arbeiten, immer zu umfassenden und komplexen Bildserien angeordnet, stellen in einem visuellen Querschnitt die neue Mittelschicht im England Maggie Thatchers vor.

Seit Anfang der 90er Jahre benutzt Martin Parr eine Kleinbildkamera mit einem Objektiv, das ihm erlaubt, nah an seinen Bildgegenstand heranzugehen. Die Kombination dieser Technik mit einem Ringblitz - für die medizinische oder kriminaltechnische Dokumentation entwickelt - sorgt für eine schattenfreie Ausleuchtung der Objekte. Seine Bilder sind nun stark ausschnitthaft, die Zusammenhänge weniger betont, die Aufnahmen erhalten eine ortsunabhängige Allgemeingültigkeit. Die Autonomisierung der Bilder ermöglicht ihre mehrfache Nutzung: Parr ist der erste Fotograf seiner Generation, der die Aufnahmen sowohl im Kunstbetrieb lanciert als auch deren kommerzielle Nutzung forciert. 1994 wird er Mitglied der renommierten, international agierenden Fotoagentur Magnum. Durch deren hervorragende kommerzielle Verwertung seiner oft im eigenen Auftrag entstandenen Fotografien gewinnt Parr die Möglichkeit, sich in Langzeitprojekten intensiv mit den Phänomenen und Auswirkungen des internationalen Tourismus zu beschäftigen. ["Common Sense", eine von britisch-derbem Humor und feiner Selbstironie definierten Serie, wird im Frühjahr 1999 als Buch publiziert und zeitgleich weltweit in über vierzig Galerien vorgestellt.]

Die Serie "Benidorm", die von Juli bis September letzten Jahres erstmals im Sprengel Museum Hannover präsentiert wurde, setzt die von Martin Parr begründete Form einer zeitgenössischen Dokumentarfotografie fort. Die Aufnahmen entstanden zwischen 1997 und 1999 und zeigen in zum Teil großformatigen Farbbildern das Leben in dem einstmals mondänen, heute von britischen Pauschaltouristen besuchten Badeort an der spanischen Riviera. International definierte Kleidungs- und Verhaltensrituale einer kommerzialisierten Massenkultur prägen das Erscheinungsbild, das Parr in starker Ausschnitthaftigkeit demonstriert. Das Resultat sind Bilder analytischen Charakters zum Wesen des heutigen Tourismus. Sie lassen - in ihrer Reduzierung auf das Symbolische und mit ihrem schonungslosen Realismus - den Betrachter im Zweifel, "ob er lachen oder weinen soll" (Gerry Badger).

Die Ausstellung wird unterstützt von The British Council.

(Katalog, Plakat)

 

 

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