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Kunsthalle Düsseldorf

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40213 Düsseldorf
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13.04. - 10.05.2003


3 Städte

Verlassene Stadt - Ersatzstadt - Ungebaute Stadt

Die Entwicklung der Städte in Ostdeutschland stellt unser klassisches Verständnis von Stadt in Frage. Über eine Million Wohnungen sowie unzählige Gewerbebauten, soziale Einrichtungen und Industrieareale stehen leer. Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung konzentriert sich der Leerstand nicht nur auf Plattenbauten, sondern betrifft in noch größerem Maße die Altbausubstanz der Städte. Zugleich entstehen im suburbanen Raum unzählige Neubauten, Gewerbeparks, Einkaufszentren und Einfamilienhäuser. Seit 1989 wurden in Ostdeutschland über 300.000 Einfamilienhäuser errichtet, eine weitere Million wird voraussichtlich in den nächsten zwei Jahrzehnten entstehen. Die Veränderung von Stadt geht weniger aus gezielten Planungen der Kommunen und Stadtplaner hervor, sondern ergibt sich vielmehr aus der Logik des Immobilienmarktes und den individuellen Entscheidungen von Eigentümern, Investoren, Käufern und Mietern.

Der Ausgangspunkt des Projektes "3 Städte" ist, die einzelnen Trends der Stadtentwicklung zu imaginären Städten zusammenzuziehen und zu verdichten, um ihre jeweilige Logik und Eigenart lesbar zu machen. Die Verbildlichung der drei Städte stellt die Frage, wie wir heute Stadt denken und praktizieren.

Die Verlassene Stadt akkurnuliert den gesamten Leerstand Ostdeutschlands und repräsentiert eine Stadt mit 2,3 Millionen potentiellen Einwohnern. Es ist die schnellst wachsende Stadt im Osten Deutschlands.

Die Ersatzstadt vereint die Neubauten seit 1989 und zeigt mit ihren 1,7 Millionen Einwohnern die bauliche Praxis. Sie spiegelt die heutigen Bedürfnisse der Menschen.

Die Ungebaute Stadt besteht aus geplanten, aber nicht realisierten Investorenplänen, den gescheiterten Visionen für die Stadtentwicklung Ostdeutschlands. Sie stellt das durch die Spekulationen der Immobilienwirtschaft und ihre Vermarktungsstrategien geprägte "utopische" Material dar.

 

Verlassene Stadt

Die Verlassene Stadt ist seit Jahren die erfolgreichste Stadt in Deutschland. Innerhalb weniger Jahre ist sie zur zweitgrößten Stadt Deutschlands aufgestiegen. Wachstumsraten von jährlich mehr als 15% sind seit über einer Dekade die Regel. In den nächsten zwanzig Jahren wird sich die Größe der Stadt voraussichtlich nahezu verdoppeln.

Nachdem die Verlassene Stadt über Jahrhunderte eine überschaubare Größe hatte, begann erst in den 90erJahren ihre eigentliche, häufig durch Steuerabschreibungsmodelle finanzierte Blütezeit. Auch wenn die Stadt überwiegend aus ostdeutschen Quartieren bestand, gab es bereits damals schon einige wichtige Viertel in den alten Bundesländern. Ein auffälliges Merkmal der Verlassenen Stadt ist, daß die neu hinzukommenden Bauten von ganz unterschiedlicher Architektur, Entstehungszeit und Bauweise sind.

Seit wenigen Jahren gibt es ein deutliches Interesse der Öffentlichkeit an der Verlassenen Stadt. So hat die Bundesregierung vor zwei Jahren ein Investitionsprogramm von 2,5 Milliarden Euro für die städtebauliche Entwicklung der Stadt beschlossen. Dabei sind wesentliche Stadtteile der Verlassenen Stadt in ihrer Substanz gefährdet. Etwa ein Viertel ihres Bestandes soll dem Abriß weichen. Allerdings werden die exzellenten Wachstumsprognosen der Verlassenen Stadt diese Verluste mehr als kompensieren.

Das Modell der Verlassenen Stadt findet auch außerhalb Deutschlands zunehmend Verbreitung. In einigen Ländern wie den USA, Großbritannien, Belgien oder dem Osten Rußlands sind bereits in den letzten Jahrzehnten weitere Beispiele dieses neuen Stadttypus' entstanden, und so könnte sich die Verlassene Stadt als Prototyp erweisen, der die Urbanisierung der nächsten Jahrzehnte wesentlich mitprägen wird.

Ersatzstadt

Die Neugründung von Städten erfolgte in früheren Epochen als ein feierliches und großes gesellschaftliches Ereignis. Seit der Krise der modernen Stadtplanung hat man dafür den Mut und die Zuversicht verloren. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der damit erfolgten Wiedervereinigung Deutschlands entstanden jedoch die Voraussetzungen für eine Stadtgründung neuer Art. Man vermied einen Gründungsakt und eine Namensgebung. Die Stadtgründung sollte - obgleich unübersehbar - möglichst unbemerkt erfolgen. Auch verzichtete man auf einen Masterplan und stellte stattdessen den notwendigen juristischen Rahmen her, setzte staatliche Geldmittel in Milliardenhöhe frei und initiierte damit eine selbstorganisierte Stadtgründung.

Gerade der Verzicht auf einen übergeordneten Plan motivierte alle verfügbaren Kräfte. Ein unglaubliches Tempo und Ausmaß der Realisierung war die Folge. Hunderttausende Bürger des Landes investierten in die unterschiedlichsten Neubauten. Die Banken vergaben bereitwillig Kredite, die Behörden genehmigten vor allem in der Anfangsphase fast jedes Baubegehren. In den ersten 10 Jahren wurden über 200 Milliarden Euro in den Bau der Ersatzstadt, die auf der grünen Wiese entstand, investiert. Fast die Hälfte der überbauten Fläche wird für den Verkehr benötigt.

Seit 1998 ist der Neubau stark rückläufig. Für die weitere Entwicklung deutet sich eine Ausdifferenzierung an: Während die schlechten Baustrukturen der Anfangsjahre wenig Zukunft haben, konsolidieren sich die übrigen Teile der Stadt. Bis 2030 rechnen Experten mit einem Anstieg der Einwohnerschaft der Ersatzstadt auf 3,9 Millionen Einwohner.

Ungebaute Stadt

Die Ungebaute Stadt entstand 1989 und unterscheidet sich deutlich von ihren Vorläufern, die seit der Antike oft ein hohes Maß an ideellen Inhalten und klaren Gestaltungsprinzipien aufwiesen. Im Vergleich dazu ist bei.der Ungebauten Stadt eine formale Ordnung auf den ersten Blick nicht erkennbar, erst recht kein ideelles Prinzip, welches die Stadt verkörpert. Gleichwohl liegen dieser Stadt einheitliche Prinzipien zugrunde. Anstelle von Religion, Philosophie oder Geometrie ist das Ideal der Ökonomie getreten. 1

Die Ungebaute Stadt gehört zu den unbekanntesten Städten, obwohl sie mit dem weit größten Aufwand geplant wurde. Auch ist ihr Investitionsvolumen von über 500 Milliarden Euro innerhalb der ersten zehn Jahre höher als jedes ihrer Konkurrenzstädte. Die Ungebaute Stadt ist eine klassische "Boomtown". Deren Blütezeit setzte unmittelbar nach ihrer Gründung ein und dauerte bis 1995. Seitdem ist die Anzahl der Neubauten stark rückläufig.

Wie in keiner anderen Stadt polarisieren die einzelnen Gebäude die Öffentlichkeit. Häufig kommt es zu jahrelangen Konflikten, was noch dadurch verschärft wird, daß bei einer Anzahl von Großprojekten kriminelle Machenschaften bekannt wurden.

In der Ungebauten Stadt leben überproportional viele junge Menschen. Die Bevölkerung strahlt eine große Zufriedenheit, Lebendigkeit, sogar ein Glücksgefühl aus. So sind auch die öffentlichen Plätze durch die dynamische Bewohnerschaft um ein Vielfaches intensiver genutzt als in anderen Städten. Verschmutzung oder Vandalismus fallen im Stadtbild nicht ins Auge, und selbst das Wetter ist hier in der Regel besser.

Ein Projekt von Sybil Kohl, Philipp Oswalt, Albrecht Schäfer

Mitarbeit: Rochus Wiedemer, Victoria Schwenzer, Nora Müller, Felix Wetzstein

Grafik: Tom Unverzagt

Zur Ausstellung erscheint eine dreiteilige Publikation im Verlag der Buchhandlung Walther König.

Eröffnung: 12.4.2003, 20 Uhr

 

 

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