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Staatliche Kunsthalle Baden-Baden

Lichtentaler Allee 8 A
76530 Baden-Baden
Tel. 07221 - 30076-3; Fax 07221 - 385 90
täglich außer Mo 11 - 18 Uhr, Mi 11 - 20 Uhr
info@kunsthalle-baden-baden.de
www.kunsthalle-baden-baden.de
aktuelle Ausstellung / current exhibition
vorausgegangene Ausstellung / previous exhibition

 

13.05. - 02.07.2006

Tiefenschärfe

Bilder vom Menschen aus der Fotosammlung des FRAC Rhône-Alpes

Kooperation mit Musée d'Art Moderne de St. Etienne u. Institut d'Art Contemporain FRAC ­ Rhône-Alpes, Villeurbanne
Pressekonferenz: FR, 12.05.2006, 11.00 Uhr
Eröffnung: FR, 12.05.2006, 19.00 Uhr

 

Bilder vom Menschen aus den Fotosammlungen des Institut d'art contemporain ­ Collection Rhône-Alpes, Villeurbanne/Lyon und des Musée d'art moderne de Saint-Étienne Métropole

Mit den beiden Sammlungen des Institut d'art contemporain ­ Collection Rhône-Alpes in Villeurbanne/Lyon und des Musée d'art moderne in Saint-Étienne Métropole befinden sich in der Region Rhône-Alpes herausragende Bestände an historischen und zeitgenössischen Fotografien, die zu Unrecht außerhalb Frankreichs kaum bekannt sind. Die Ausstellung bietet einen thematischen Querschnitt durch die Sammlungen, der zahlreiche Schlüsselwerke der Fotografiegeschichte präsentiert: fotografische Bilder von Menschen in ihrem Lebensumfeld.

Der fototechnische Begriff der "Tiefenschärfe" bezeichnet die Ausdehnung des Schärfenbereichs in die Tiefe des Bildes. Ein tiefenscharfes Foto bezieht eine Person auf den sie umgebenden Raum. Wohn- oder Arbeitsumfeld geraten in den Blick und werden implizit oder explizit thematisiert. Anders als der Paparazzo auf Jagd, in dessen oberflächlichen Abziehbildern sich das Subjekt verflüchtigt, nähert sich der Fotograf in der Tradition der teilnehmenden Beobachtung behutsam seinem Gegenüber, um in seinen Bildern in die sozialen und psychologischen Tiefendimensionen der Persönlichkeit vorzudringen.

 

Cecil Beaton

"Ouled Nails" ist eine ganz besondere Fotografie im Werk von Cecil Beaton. Dieser Dandy, Modefotograf, Zeichner und Theaterregisseur, dem nichts über die Anerkennung durch die mondäne Welt der englischen "high society" ging, akkreditierter Fotograf der britischen Königsfamilie, Mitglied der angelsächsischen "Fotocratie", der für seine Porträts bei den hochgestellten Vertretern der internationalen politischen und kulturellen Elite bekannt war, hat ein faszinierendes fotografisches uvre hinterlassen. Zunächst unter dem Einfluss des Piktoralismus, dann des Surrealismus stehend, geht Beaton gern über den Augenschein der Dinge hinaus und überhöht die Wirklichkeit; denn mit seiner Kamera scheint er wie Rimbaud zu verkünden: "Ich bin ein Meister der Phantasmagorie."

"Ouled Nails" entstand 1933 auf einer ersten Reise nach Nordafrika. Diese Aufnahme gehört zu dem Korpus orientalistischer Fotografien des Jahrhundertbeginns: Die Ouled Nails sind ein nordafrikanischer Stamm aus Algerien, dessen weibliche Angehörige für ihren Bauchtanz bekannt sind. Auch heißt es von ihnen, dass sie früher als Kurtisanen arbeiteten, um sich ihre Aussteuer zu verdienen. Vor einer Tapete mit Blumenmotiven und an einem offenen Türrahmen stehend, blickt uns in der Aufnahme eine Frau in orientalischen Kleidern mit verschränkten Armen an, als sei sie die Hüterin des geschlossenen Raumes hinter sich. In diesem Raum wartet vor einem niedrigen Tisch sitzend eine junge Frau. Zwei weitere Personen in der rechten Ecke des Bildes sind in einem Spiegel bis zur Hüfte zu sehen. Der Mann scheint von den beiden Frauen empfangen zu werden. Der Spiegel ist ein Kunstgriff, der es uns ermöglicht, von einer Wahrnehmungsebene zur nächsten zu wechseln und zu erfassen, was wir eigentlich nicht wissen sollten. Das Schachbrettmuster des Bodens schafft eine Textur, welche die Abstände bis in die Tiefe des Bildraumes strukturiert. Die schwarzen und weißen Fliesen in dieser Inszenierung zweier hintereinander folgender Räume bestimmen den Rhythmus der Komposition. Beaton folgt hier bewusst einer Tradition der Malerei, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht, indem er sich "jenes gesamte Verfahren zueigen macht, die Trennungslinien zwischen den Fliesen zu ziehen, welches den Teil der Malerei berührt, den wir gegebenenfalls Komposition nennen werden" (Alberti). Indem Beaton die günstige Gelegenheit ergreift, die ihm der zum Dekor gehörende Spiegel bietet, um uns, die Betrachter, auf dem Wege der Mimesis darauf aufmerksam zu machen, was sich diesseits des fotografischen Bildes befindet, steht er in direkter Nachfolge des Doppelporträts der "Arnolfini-Hochzeit" (1434) von Jan Van Eyck oder der "Meninas" von Velázquez (1656/57). Er liebäugelt auch mit bestimmten vorgeblich anständigen Sujets der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, deren Analyse erst ihre Komplexität und ihren zuweilen schlüpfrig-anstößigen Charakter zu Tage fördert. Was wir hier sehen, ist nicht das friedliche Schauspiel eines orientalischen Interieurs, sondern vielmehr eine Genreszene in einem Bordell. So spielt Beaton mit der Ambiguität zwischen dem Optisch-Imaginären und dem Poetisch-Imaginären.
MD

Literatur: Cecil Beaton: Photographien 1920­1970. München 1994

 

 

 

Chris Killip

Die Isle of Man ist eine 572 km2 große Insel in der Irischen See, vor der Küste Nordwestenglands gelegen. Sie ist weder Teil des Vereinigten Königreichs noch eine Kronkolonie, sondern als autonomer Besitz direkt der britischen Krone unterstellt. Diese Sonderstellung hat die Insel in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Steueroase und einem florierenden Touristenparadies werden lassen. Der Fotograf Chris Killip, selbst 1946 auf der Isle of Man geboren, porträtierte in seinem 1980 erschienenen Fotoband die Inselbewohner, die sich und ihre Heimat, der nahezu ausgestorbenen keltischen Sprache folgend, als "Manx" bezeichnen. "The Isle of Man: A Book About the Manx" zeigt uns eine Gesellschaft, die traditionell ihren Lebensunterhalt mit Fischerei und Schafszucht verdiente. Es ist eine Hommage an eine untergehende Kultur und zugleich eine stille Anklage an diejenigen, die zur Entwurzelung dieser Menschen beitragen.

Chris Killip steht in der Tradition der humanistischen Sozialdokumentation: Seine vorrangige Intention ist es, Zeugnis abzulegen. Stets zeigen seine Bilder eine engagierte Solidarität mit den Porträtierten. So blickt Killip nicht von außen auf eine Szene, sondern scheint aus der Position eines Beteiligten heraus zu fotografieren. Bei seiner Arbeit für das Buch ist dies biografisch zu erklären; er versucht aber auch in seinen folgenden Arbeiten eine entsprechende Position einzunehmen. Stets ist deutlich, dass Chris Killip Teil der Gesellschaft ist, die er in seinen Aufnahmen dokumentiert. In Killips zweiter Publikation mit dem programmatischen Titel "In Flagrante" (1988) dokumentiert er die Symptome des Post-Industrialismus und die Schattenseiten der restriktiven Wirtschaftspolitik Margaret Thatchers. Die Bilder aus dem Nordosten Englands, zwischen 1975 und 1987 entstanden, gehören heute zu den bedeutendsten visuellen Bestandsaufnahmen der Lebensbedingungen dieser Jahre in Großbritannien. Neben weiteren vier Aufnahmen der Ausstellung enthält "In Flagrante" die Fotografie "Youth on Wall, Jarrow" (1976). Killip zeigt einen auf einer Mauer sitzenden Jungen, den Rücken gegen eine Wand aus Backsteinen gelehnt, die Beine eng an den Körper herangezogen. Seine Kleidung ist ärmlich und verschmutzt; seine Springerstiefel erscheinen zu groß und wirken dadurch bedrohlich und lächerlich zugleich. Das Haar ist kurz und wächst nach einer Rasur erst langsam nach. Sein Gesicht ist im Profil zu sehen, die Augen leidvoll zusammengekniffen, die Hand mit den verdreckten Fingernägeln fest an die Stirn gepresst. Eine gute Fotografie könne etwas aussagen, das mit Worten nicht beschrieben werden kann, sagt Chris Killip 2001 in einem Interview. Tatsächlich wirkt das Bild dieses Jungen wie eine universelle Metapher für Einsamkeit, Armut und Verzweiflung. Eine übergeordnete Bedeutungsebene gewinnt die Aufnahme durch die im Titel ergänzte Ortsbezeichnung. Die Industriestadt Jarrow war im Oktober 1936 Ausgangspunkt eines Hungermarsches von Werftarbeitern nach London: ein emotional aufgeladener Ort der englischen Sozialgeschichte.

In den Fotografien von Chris Killip sind Menschen durch Orte und Orte durch Menschen geprägt. Das Meer, der Himmel, die architektonische Tristesse, die gesamte Umwelt charakterisieren die Gesichter, die Gestik und Mimik der Menschen. Nur die Kinder Helen und Rocker, mit einem Hoola-Hoop-Reifen und einer Kröte spielend, scheinen der existenziellen Trostlosigkeit dank ihrer kindlichen Phantasie und Neugierde (noch) entfliehen zu können.
HZ

 

 

Folgende Veranstaltung finden im Mai 2006 in der Kunsthalle statt:


MITTWOCH, 17. MAI 2006, 19 UHR
SWR2 HÖRBAR ­ RADIO IN DER KUNSTHALLE
DER DISTANZIERTE BLICK. FOTOGRAFEN IM KRIEG
Feature von Aishe Malekshahi, WDR 2005

Einführung: Walter Filz, SWR2

In Zusammenarbeit mit der Redaktion: SWR2 Literatur und Feature

Sie reisen in Kriegs- und Krisengebiete, sie dokumentieren Grausamkeiten nah und direkt ­ Fotografen wie Abbas oder Gilles Peress, Ursula Meissner oder Anja Niedringhaus, die

für ihre Aufnahmen im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis den Pulitzer-Preis erhielt. Kriegsfotografen agieren nicht, sind nicht beteiligt am Geschehen. Die Linse schafft Distanz zum Gegenstand. Distanz, die dennoch berühren kann, aufrütteln, bewegen. Aishe Malekshahi porträtiert Kriegsfotografen und ihre Arbeit ­ in akustischen Schnappschüssen.

 

 

Mittwoch, 14. Juni 2006, 19 Uhr

Der Fotograf: Dein Nachbar

Künstlergespräch: Jean-Louis Schoellkopf

Mit Dr. Fritz Emslander, Kurator der Ausstellung "Tiefenschärfe ­ Bilder vom Menschen"

 

Der Fotograf und Documenta-Teilnehmer (1997) Jean-Louis Schoellkopf sucht den Kontakt zu den Menschen, die er porträtiert; er besucht sie in ihrem Zuhause, begleitet sie an ihren Arbeitsplatz und an die Stätten ihrer Freizeit, die Campingstellplätze im Grünen, zum Boule- oder Fußballspiel. Erst der intensive Austausch, teils über längere Zeiträume hinweg, schafft die für ein annähernd "authentisches" Porträt entscheidende Vertrauensbasis.

 

Im Anschluss haben Sie die Gelegenheit mit uns im Café Kunsthalle das Fußballspiel Deutschland-Polen als Beamerprojektion zu sehen.

Eintritt und Chips frei!

 

 


MITTWOCH, 28. JUNI 2006, 19 UHR
SEHEN UND KORREKTUR ­

AUGENOPERATIONEN IM WANDEL DER ZEITEN

PD Dr. Josef Schmidbauer, Stadtklinik Baden-Baden

In Zusammenarbeit mit der VHS Baden-Baden

»Denn der alleredelst Sinn der Menschen ist das Gesicht«, schreibt Albrecht Dürer zu Beginn des 16. Jahrhunderts in seinen Tagebüchern. Die Medizin hat sich stets darum bemüht, Menschen das Auge als das Fenster der Seele zur Welt zu bewahren. PD Dr. Josef  Schmidbauer, Spezialist für diese diffizilen medizinischen Eingriffe, hat medizinhistorisches Material zur Geschichte der Augenoperationen entdeckt. Der Vortrag beschreibt die Entwicklung der Kataraktchirurgie und geht auf Anatomie und Funktion des Auges ein

 

 
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